Inhalt
Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten zu erreichen, anzusprechen und ihnen den Zugang in Lernprozesse zu erleichtern, ist eine wichtige aber auch herausfordernde Aufgabe. Für einen ersten Schritt kann es hilfreich sein, Antworten auf folgende Fragen zu finden: Wo sind Menschen mit Lese- und Schreibschwierigkeiten anzutreffen? In welcher Weise können Partner in Netzwerken dabei Unterstützung leisten? Welche Lernformate werden am besten angenommen? Welche Inhalte motivieren zum Lernen?
Zugänge schaffen
Ergebnisse der Befragung von Fachkräften
"In sozialraumorientierten Angeboten sozialer Träger bestehen gute Chancen zur Ansprache und Unterstützung gering literalisierter Erwachsener."
Zur Prüfung dieser These hat das Verbundvorhaben "InSole - In Sozialräumen lernen" im Frühsommer 2019 mehr als 500 Fachkräfte aus Mitgliedsorganisationen des Verbundpartners Der Paritätische NRW befragt, wie verbreitet Lese- und Schreibschwierigkeiten bei ihrer Klientel sind und wie sie damit umgehen. Demnach gaben mehr als 87 % der befragten Fachkräfte aus unterschiedlichen Handlungsfeldern der Sozialarbeit an, dass sie bei ihrer Klientel geringe Literalität wahrnehmen bzw. vermuten. Dieses Resultat bekräftigt die Annahme, dass eine Kooperation von Volkshochschulen mit Trägern sozialer Dienstleistungen die Zielsetzung, gering literalisierte Erwachsene zu erreichen und anzusprechen, wirkungsvoll unterstützen kann.
Kooperation von Weiterbildungseinrichtungen mit Trägern der Quartiersarbeit
Eine Kooperation mit Trägern der Quartiersarbeit erleichtert die Ansprache potentiell Teilnehmender erheblich. Die Vielzahl ihrer Handlungs- und Arbeitsfelder der Sozialarbeit – wie beispielsweise der Kinder- und Jugendhilfe, Migration und Flucht, Erwerblosigkeit und Armut – machen einen unkomplizierten Zugang zu Teilnehmenden und weiteren Akteuren im Quartier möglich. Da alle sozialen Angebote und Dienste der Freien Wohlfahrtspflege in einem unmittelbaren Sozialraumbezug stehen und in die Netzwerkstrukturen der lokalen Akteure eingebunden sind, bietet dieser Quartiersansatz für Weiterbildungseinrichtungen neue Zugangsmöglichkeiten zu Netzwerken und zur Zielgruppe gering literalisierter Erwachsener.
Netzwerke nutzen
Das erhebliche Mitwissen beratender Fachkräfte bezüglich
geringer Literalität ihrer Klientel führt nur selten zu einem Verweis auf geeignete Unterstützungsangebote. Daher sind zusätzliche Schulungen oder Informationsveranstaltungen zum Thema im Allgemeinen und über vorhandene Angebote im Quartier im Besonderen deutlich zu empfehlen. Das im Verbundvorhaben InSole entwickelte Workshop-Konzept „Lese- und Schreibschwierigkeiten: Erkennen, ansprechen und zum Lernen motivieren“ kann hierfür herangezogen werden. Die Durchführung mit Akteur*innen im Quartier, die häufig als Vertrauenspersonen der Zielgruppe agieren, hat sich zur Ansprache und Gewinnung von Teilnehmenden für das niedrigschwellige Lernangebot bewährt. Ergänzend finden Sie hier PDF-Datei 1,57 MB einen Leifaden zur Netzwerkarbeit in der Grundbildung.
Angebote bereitstellen
Mit einem niedrigschwelligen Lernangebot sollen Menschen erreicht werden, die durch bisherige Lernangebote nicht zur Teilnahme motiviert werden konnten. Da die Entscheidung, Lese- und Schreibkompetenzen durch Lernen zu erweitern, selten bereits vor Beginn des Lernprozesses getroffen wird, können alltagsorientierte Themen zur Teilnahme an den Angeboten häufig besser motivieren.
Niedrigschwelliges Lernangebot als Brückenfunktion
Im Kontext der Alphabetisierung und Grundbildung soll Niedrigschwelligkeit zur Teilnahme an regulären Lese- und Schreibkursen motivieren. Niedrigschwellige Lernangebote im Quartier sollten daher den Teilnehmenden die Erfahrung vermitteln, erfolgreich an Lernprozessen teilhaben zu können, und ihnen Spaß am Lernen ermöglichen. Somit ist, zunächst mit Themen aus dem alltäglichen Leben wie beispielsweise Energiesparen, Handynutzung, Bücher lesen mit Kindern oder gesunde Ernährung, ein Heranführen ans Lesen und Schreiben intendiert. Die Berücksichtigung der im Folgenden aufgeführten Kriterien für Niedrigschwelligkeit baut insbesondere auf eine vertrauensvolle Kommunikation der Kooperationspartner im Quartier mit der Zielgruppe.
→ Einladende Ansprache
→ Ohne Anmeldung
→ Kostenlos
→ Einstieg jederzeit möglich
→ Passende Angebotszeiten
→ Gute Erreichbarkeit
→ Themen aus dem alltäglichen Leben
Aufnehmendes Kursangebot der vhs
Idealerweise führt dies zu einer Teilnahme an einem Kursangebot zur Alphabetisierung und Grundbildung. Um den Teilnehmenden eines niedrigwelligen Lernangebots den Übergang zu erleichtern, kann es zudem von Vorteil sein, wenn die Lehrkraft zugleich einen regulären Kurs leitet. Dieser sollte möglichst im selben Quartier oder sogar am selben Ort stattfinden. Auf diese Weise könnte eine bereits aufgebaute Vertrauensbeziehung zwischen Lehrkraft und Lernenden zur Unterstützung des Übergangs zum Tragen kommen.
Öffentlichkeit informieren
Öffentlichkeitsarbeit initiiert Dialoge im öffentlichen Raum, bringt Menschen zusammen, provoziert, regt politische Diskussionen an und propagiert vorbildliche Handlungsweisen. Um das Thema der geringen Literalität im öffentlichen Bewusstsein zu verankern und die Information zu vorhandenen (Lern-)Angeboten im Quartier zu verbreiten, können unterschiedliche Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden. Hier finden Sie einige Beispiele, um eine gelungene Öffentlichkeitsarbeit zu planen:
→ Publikumswirksame Veranstaltung
→ Informations- und Dialogformate
→ Einbinden von Vertreter*innen lokaler Unternehmen und Verbände
→ Nutzen der Medien von Volkshochschule und Quartiersarbeit
→ Aktionen im Quartier
→ Poster und Flyer
→ Einbinden der im Netzwerk des Quartiers tätigen Akteure